Beten im Heiligen Geist – wie geht das?

Kennst du das auch? Ein bestimmtes Wort fällt dir gerade nicht ein, aber du weißt genau, dass du es kennst. Es liegt dir auf der Zunge. Und dann fällt der Groschen, du hast das Wort wieder und kannst es sagen. Der Gedanke war schon da, bevor du ihn richtig wusstest.

Von Dr. Ulrich Wendel

Vielleicht hast du auch dies schon mal erlebt: Du suchst überhaupt nicht nach einem Gedanken, doch mit einem Mal rutscht es dir heraus. Dir lag etwas auf der Zunge, das du eigentlich vorher noch gar nicht richtig kanntest. Doch irgendwie war es in dir, und plötzlich hast du es ausgesprochen.

Was hat das mit dem „Beten im Geist“ zu tun? Oft läuft das genauso ab: Gottes Geist legt uns etwas auf die Zunge, das wir vorher noch gar nicht unbedingt wussten, doch wir beten es dann trotzdem – weil es nicht allein aus uns heraus kam, sondern eben zugleich aus dem Geist.

Basis-Fähigkeit für Christen

Im Heiligen Geist zu beten – das ist an einigen Stellen Thema des Neuen Testaments, unter anderem im Judasbrief, Vers 20-21:

„Ihr Lieben, erbaut euch auf euren hochheiligen Glauben, betet im Heiligen Geist, haltet euch in der Liebe Gottes auf und erwartet die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus, der das ewige Leben bringt.“

Dieser Abschnitt aus dem Judasbrief (der Verfasser ist übrigens nicht der Verräter, sondern ein Bruder von Jakobus und Jesus Christus) ist so etwas wie eine Kurzformel des christlichen Glaubens: das kleine Einmaleins der Jesusnachfolge. Ein Viertel davon ist dem Beten im Geist gewidmet. Es kann also keine unwichtige Sache sein. Fazit: Beten im Geist ist für jeden Christen da und ist ganz offenbar keine extravagante Spielerei – nichts, auf das man verzichten könnte.

Beten mit Rückenwind

Was läuft ab, wenn wir im Geist beten? Mehrmals lesen wir in der Bibel, dass Gottes Geist in uns wohnt und aus uns heraus zu Gott ruft (Römer 8,15; Galater 4,6). Wir beten – und doch beten wir nicht allein, sondern mit uns zusammen betet der Heilige Geist. Wir können diese Stimme gar nicht immer scharf trennen von unserem eigenen Gebet. Wir empfinden manchmal, dass die Worte unseres Betens mit einem Mal ganz gefüllt sind – und wir sind ganz ausgefüllt von ihnen. Wir sind total eins geworden mit dem, was wir da beten.

Das ist Beten im Geist: Unsere Worte tragen ein Plus in sich, sind mehr als nur unsere Worte. Unser Gebet hat Schwung bekommen, wir beten sozusagen mit Rückenwind. Es ist, als ob wir mit dem Fahrrad auf der Kuppe eines Berges angekommen sind und nun beginnen, hinabzurollen. Wir beten, als würden wir mit der Strömung schwimmen und nicht gegen die Strömung. Gottes Geist legt uns Worte in den Mund, und dann „liegt es uns“ wirklich „auf der Zunge“ und lässt sich unmittelbar aussprechen.

Wie kommen wir häufiger in solches Beten hinein?

Dem Heiligen Geist Chancen einräumen

Machen können wir es nicht. Es kommt ja eben vom Heiligen Geist. Er muss es schon geben. Aber wir können Gottes Geist Chancen einräumen. Wenn der Apostel Judas sagt: „Betet im Geist“, dann könnte man diese Anweisung so entfalten:

„Betet im Geist! Erwartet, dass eure Worte sich füllen. Erwartet, dass sie Tiefe bekommen. Erwartet es nicht nur – wartet auch darauf. Wartet, bis eure Worte sich füllen. Achtet darauf, welche Richtung euer Gebet nehmen will. Geht mit in diese Richtung. Folgt den Kurven, die der Geist euch beim Beten lenkt. Damit Gottes Geist eure Worte füllen kann – betet langsam. Nehmt euch Zeit. Seid gerne erst einmal sparsam mit Worten. Tastet euch vor. Betet langsam und lasst es zu, wenn Pausen entstehen. Das sind oft Lücken, in denen Gottes Geist sich melden kann. Redet nicht schneller, als euer Herz betet. Wagt Gebete und erwartet, dass aus euch heraus eine unhörbare Stimme sich hinzugesellt. Betet im Geist.“

So etwas kann mitten im Alltag passieren. Alles, was wir tun, mit Worten oder mit Werken, reden und tun wir im Namen von Jesus (Kolosser 3,17). Dabei können Gebete entstehen, die der Geist gezeugt hat. Es muss nicht immer das heiße Lobpreisgebet sein, das mit viel Gefühl daherkommt. Es kann auch der abgerissene Fetzen eines Stoßgebetes sein, der plötzlich tief gefüllt ist – und von dem wir durch und durch ausgefüllt sind. Es müssen auch nicht nur frei formulierte Gebete sein. Es kann auch ein vorgegebener Liedtext sein – bis hin zum Vaterunser, das wir dann und wann ganz tief erfüllt beten und merken: Da betet jemand in uns mit – der Heilige Geist. Er ruft ja, so schreibt Paulus es einmal, in unserem Herzen: Abba, lieber Vater (Römer 8,15) – und benutzt dabei also fast exakt den Beginn des Vaterunsers.

Drei Spezialfälle

Über diese Alltagssituationen hinaus gibt es drei Spezialfälle des Betens im Geist. Zwei davon sind nur für wenige Leute gedacht und einer – Gott sei Dank – für alle.

Nach der Erfahrung vieler Christen und Gemeinden gibt es die Geistesgabe (das Charisma) des Gebets. Wir finden es zwar in keinem der betreffenden Abschnitte im Neuen Testament – so vielfältig die Charismen, sind, die dort aufgezählt werden, Gebet ist nicht darunter. Wohl aber begegnen uns im Neuen Testament verschiedene Menschen, die offenbar besonders zum Gebet begabt sind: Hanna (Lukas 1,36-38), Epaphras (Kolosser 4,12-13) und sicherlich auch Paulus (1. Thessalonicher 1,23 und öfter). Das ist heute nicht anders: Einige Christen können besser und tiefer und wirkungsvoller beten als andere. Im Gebet liegt ihre spezielle Begabung – so wie andere Christen z. B. die spezielle Begabung der Leitung oder des Dienens haben. Wer auch immer an sich beobachtet hat, dass Beten ihm oder ihr äußerst wichtig ist, es ihn / sie tief erfüllt und Gott die Gebete auch bemerkenswert oft erhört – vielleicht liegt hier die Geistesgabe des Gebets vor.

Es gibt daneben auch die Geistesgabe des Sprachengebetes; das sogenannte Charisma des Zungenredens (Markus 16,17; Apostelgeschichte 10,46; 1. Korinther 14,1-25). Sie tritt nicht oft ans Licht der Öffentlichkeit und muss auch nicht immer öffentlich praktiziert werden. Wer diese Gabe hat, kann auf einem zusätzlichen, besonderen „Kanal“ die Verbindung mit Gott suchen und erleben.

Diese beiden Arten, im Geist zu beten, sind nicht für alle Christen da. Allen aber gilt die Verheißung: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, doch der Heilige Geist vertritt uns mit unsagbarem Seufzen“ (Römer 8,26). In uns betet der Heilige Geist, auch wenn wir selbst gar nicht beten können. Diese Stimme des Geistes, die sich so gern zu unserem Gebet hinzugesellt, betet auch allein, wenn sie in uns keinen Mitbeter findet. Was für ein mutmachender und tröstender Ausblick! Auf diese Weise hat jeder von uns wohl öfter im Geist gebetet, als er es wusste.

Entdeckungen machen

Beten im Geist – das ist keine Erfahrung für wenige besondere Christen. Die Aufforderung zu solchem Beten ist an alle Jesusleute gerichtet (siehe auch Epheser 6,18). Was die Bibel über das Thema sagt, ist ermutigend genug, um sich auf die Suche zu machen und mehr Geist im eigenen Gebet zu entdecken und zu fördern. Gerade im Gebet für andere (in der Fürbitte), so wie es auf amen.de vermittelt wird, ist es gut, sich von Gottes Geist leiten zu lassen und ihn zu fragen, in welche Richtung man denn beten soll.

Aber auch abgesehen von der Fürbitte: Es bereichert dein Gebetsleben und es macht Gott Ehre, wenn du dem Heiligen Geist Chancen gibst und dich danach ausstreckst, im Geist zu beten.

Dr. Ulrich Wendel ist Theologe, Pastor und Redaktionsleiter des Gebetsmagazins sela. sowie der Zeitschrift Faszination Bibel.

Wir beten für dich

Melanie

Jens

Marianne

Volker

Wera

Dies sind nur fünf von über 4.000 Mitgliedern
unserer Gebets-Community.

Das könnte dich auch interessieren

Strahlendes Neonkreuz auf einem Gerüst

Müssen wir erst heilig werden, um beten zu können?

Was muss ich tun, um beten zu können? Muss ich erst jede Spur von Sünde aus meinem Leben verbannen? Muss ich erst heilig werden, damit ich eine Beterin, ein Beter sein kann?
Frau mit einer Bibel betet

Bittgebete, Suchgebete, Klopfgebete

Gebet hat viele Dimensionen. Um frischen Wind für dein Beten zu bekommen, kannst du versuchen, eine Dimension zu entdecken, die bisher bei dir vielleicht noch nicht so im Fokus war.
Die Zahl 4 auf einem Schild

Vier Dimensionen des Gebets

Seid wachsam. Haltet treu an dem fest, was ihr glaubt. Seid mutig und stark. Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen. (1. Korinther 16,13-14)

JETZT
DOWNLOADEN

Im App Store und Google Play Store