Eine kurze Notiz von Paulus hat mich ermutigt, auch der Hoffnung viel zuzutrauen. Diese Notiz findet sich am Schluss des Philemonbriefs und lautet:
„Bitte halte ein Gästezimmer für mich bereit, denn ich hoffe, dass Gott eure Gebete erhören und mich bald zu euch zurückkehren lassen wird“ (Philemon 22).
Paulus sitzt zu diesem zeitpunkt im Gefängnis, hofft aber, bald entlassen zu werden – und trifft Vorkehrungen für diesen Fall. Die kurze Notiz enthält eine ganze Gebetstheologie:
- Gebet ist wirkungsvoll. Wörtlich übersetzt sagt Paulus, dass er den Briefempfängern „durch eure Gebete geschenkt“ werde. „Durch eure Gebete“ – diese sind also der Hebel, um eine Sache in Bewegung zu bringen. Hier ist es die Befreiung aus dem römischen Gefängnis. Paulus setzt nicht zuerst auf Rechtsberatung, Anwälte, Beziehungen oder gar Bestechungsgelder, sondern auf Gebete. Diese werden etwas auslösen, das ohne sie vielleicht nicht geschehen würde.
- Paulus, „hofft“ freizukommen. Hoffnung klingt nicht ganz so stark wie Glauben. Es gibt Glauben, der schon jetzt dafür dankt, das Erbetene bekommen zu haben. Manchmal haben wir so viel Zuversicht, dass wir etwas im Glauben ergreifen können. So weit scheint es bei Paulus noch nicht zu sein. Er hat nichts betend erkämpft, er spricht von Hoffnung – damit bleibt ein wenig offen, ob, wann und wie etwas eintrifft.
- Doch diese Hoffnung ist stark. Aufgrund dieser Hoffnung kann man schon jetzt entsprechende Pläne machen und Entscheidungen treffen. Philemon soll ein Quartier für Paulus bereithalten. Er soll quasi jetzt schon die Kissen aufschütteln und das Zahnputzglas bereitstellen, obwohl Paulus noch im Gefängnis sitzt – weil die starke Hoffnung wirksam ist, dass die Gebete bereits etwas in Gang gesetzt haben.
So also kann man beten, hoffen und Konsequenzen aus dem Gebet ziehen. Paulus kennt daneben auch andere Gebetshaltungen. Beten kann auch ein Kampf sein (Römer 15,30; Kolosser 4,12). Kampf kostet Energie – und Gebet muss manchmal viel kosten. Doch liegt darin auch die Gefahr, sich allzu sehr zu verkrampfen. Der Gebets-Einblick von Philemon 22 ist hier ein gutes Gegengewicht. Er schwächt die Erwartung auf Gebetserhörung nicht, doch die Betonung der Hoffnung bringt eine gewisse Leichtigkeit hinein, die unserem Beten immer wieder guttun wird.
Dr. Ulrich Wendel ist Theologe, Pastor und Redaktionsleiter des Gebetsmagazins sela. sowie der Zeitschrift Faszination Bibel.




